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Ein Beitrag von Kai Bodensiek, Partner BVM Berlin

Heute hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) verabschiedet. Wie bereits der langen öffentlichen Diskussion zu entnehmen war, sieht der Gesetzentwurf Löschungspflichten zu Lasten von sozialen Netzwerken vor, soweit dort verbreitete Inhalte gegen bestimmte, strafrechtliche Normen verstoßen. 

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Konkret wurden nun folgende Straftaten in den Pflichtenkreis des Gesetzes aufgenommen:

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  • § 86 (jeweils Strafgesetzbuch - StGB) Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
  • § 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
  • § 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
  • § 90 Verunglimpfung des Bundespräsidenten
  • § 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
  • § 90b Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
  • § 91 Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
  • § 100a Landesverräterische Fälschung
  • § 111 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten
  • § 126 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
  • § 129 Bildung krimineller Vereinigungen
  • § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen
  • § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung
  • § 130 Volksverhetzung
  • § 131 Gewaltdarstellung
  • § 140 Belohnung und Billigung von Straftaten
  • § 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
  • § 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften
  • § 184d Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien; Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Telemedien
  • § 185 Beleidigung
  • § 186 Üble Nachrede
  • § 187 Verleumdung
  • § 241 Bedrohung
  • § 269 Fälschung beweiserheblicher Daten
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Hinsichtlich dieser sehr umfangriechen Liste von Straftaten müssen die betroffenen sozialen Netzwerke zukünftig selbstständig Beiträge bewerten und entscheiden, ob diese als rechtswidrig einzustufen sind. Dafür haben sie laut § 3 Absatz 2 Nr. 3 des Entwurfes des NetzDG 7 Tage nach Beschwerdeeingang Zeit, bei offensichtlichen Fällen nach § 3 Absatz 2 Nr. 2 sogar nur 24 Stunden. Schwierigkeiten in der Beurteilung der Sachverhalte dürften hier bereits vorprogrammiert sein. Die Netzwerke müssen jedoch auch weiterhin nur auf Beschwerden hin handeln, dann aber auch sämtliche Kopien im Netzwerk löschen.

Diese Pflichten treffen jedes soziale Netzwerk - also ein Telemedium (z.B. Webseite oder App), das es mit Gewinnerzielungsabsicht den Nutzern ermöglicht, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ausgenommen sind journalistisch-redaktionell betriebene Angebote, die Inhalte selbst zur Verfügung stellen. Damit sollten z.B. die Kommentar und Diskussionsbereiche der großen Zeitungen und News-Seiten ausgenommen werden. Weiterhin treffen die Pflichten nach dem Gesetz nur solche Netzwerke, die mehr als 2 Millionen Kunden im Inland aufweisen. Die Bundesregierung selbst geht davon aus, dass dies derzeit nur 10 Anbieter in Deutschland betreffen wird, darunter werden sicherlich Facebook, Xing, Instagram, Twitter und LinkedIn fallen, es ist aber durchaus möglich, dass dies auch auf Steam.betroffen sein wird. Ob z.B. Whats App unter den Begriff des sozialen Netzwerks fällt, wird noch zu diskutieren sein. Denkbar ist es auch, dass einzelne Games-Communities betroffen sind. Nicht klar ist bisher, ob es sich bei den 2 Millionen Kunden um "aktive" Kunden oder "registrierte Nutzer" handeln muss. 

Die betroffenen Netzwerke müssen neben dem Verwaltungsapparat zur Bearbeitung der Beschwerden außerdem regelmäßig umfangreiche Berichte über die Löschtätigkeit sowohl auf der Webseite als auch im Bundesanzeiger veröffentlichen. Ausländische Anbieter sind dann verpflichtet, einen zustellungsberechtigten Vertreter in Deutschland zu benennen, damit etwaige Verstoßverfahren zügig durchgeführt werden können. Im Verstoßfall drohen erhebliche Bußgelder und weitere Sanktionen, siehe auch hier die Zusammenfassung aus strafrechtlicher Sicht

Ob der Entwurf auch in der Form durch den Bundestag verabschiedet wird und wann er tatsächlich in Kraft tritt, bleibt noch abzuwarten. Lange Vorbereitungszeiten werden den sozialen Netzwerken aber nicht eingeräumt. Das Gesetz soll mit seiner Verkündigung in Kraft treten und die Löschverfahren müssen innerhalb von 3 Monaten umgesetzt werden. Das ist für den Aufbau und die Schulung einer ganzen neuen Abteilung sicherlich anspruchsvoll auch für die betroffenen Unternehmen.

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