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Ein Beitrag von Prof. Dr. Alexander Freys, Partner BVM Berlin

 

Über den Inhalt des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes haben wir bereits berichtet. Das Gesetz muss noch im Juni durch den Bundestag, da der Entwurf anderenfalls wegen Ablaufs der Legislaturperiode verfällt. Der Gesetzesentwurf hatte allerdings zuletzt heftige Kritik erfahren:

So verstößt das Gesetz nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Begründet wird dies mit der begrifflichen Unschärfe der Tatbestände "Hasskriminalität" und "Falschnachrichten" ("fake news"), sowie die den sozialen Netzwerken auferlegten äußerst kurzen Reaktionsfristen von 24 Stunden bzw. 7 Tagen verbunden mit extrem hohen Bußgeldandrohungen von bis zu 50 Millionen Euro. Dies zusammen genommen lasse eine dem Staat zurechenbare Grundrechtsbeeinträchtigung erwarten.

In einem weiteren Gutachten hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestags den Entwurf als unvereinbar mit dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie eingestuft. Nach der Rechtsprechung des EuGH folgt aus dem Herkunftslandsprinzip, dass E-Commerce-Dienste in einem anderen EU-Staat keinen strengeren Regeln unterliegen dürfen als in ihrem EU-Herkunftsland. Im Gesetzesentwurf vorgesehene Bestimmungen wie z.B. der Zwang zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten oder die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten, die nicht im Inland begangen werden, begründen nach Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes einen Verstoß gegen des Herkunftslandsprinzip.

Diskutiert wird aber nicht nur die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit deutschem Verfassungsrecht, sondern auch mit supranationalem Recht: Der Sonderbeauftragte der UN für die Meinungsfreiheit, David Kaye, äußerte ebenfalls grundlegende Kritik an dem Gesetzesentwurf. Unter Berufung auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte („Zivilpakt“, ICCPR), dem die Deutschland im Jahr 1973 beigetreten ist, beanstandet Kaye ebenfalls die bereits erwähnten unscharfen Gesetzesbegriffe und hohen Strafandrohungen bzw. zu kurzen Fristen, die zu einem "overblocking" führen können. Er bemängelt zudem die fehlende gerichtliche Kontrolle bei der nach dem Entwurf den sozialen Netzwerken überbürdeten Verantwortung für die Entfernung von Meinungsinhalten. Es sei ein Menschenrecht, dass über Eingriffe in die Meinungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht unabhängige Institutionen entscheiden. Schließlich beanstandet er die nach dem Entwurf bestehende Möglichkeit, dass bereits die Behauptung einer Rechtsverletzung dem Behauptenden Zugang zu fremden Nutzerdaten ermögliche, und so die Netzanonymität gefährdet sei.

Ungeachtet dieser vielfältigen Kritikpunkte will die Bundesregierung das Gesetz noch in dieser Woche ohne grundlegende Änderungen durch den Bundestag beschließen lassen. Die wohl wichtigste Klarstellung könnte allerdings sein, dass das Gesetz nur auf allgemeine soziale Netzwerke anwendbar sein soll und nicht solche sozialen Netzwerke bzw. Plattformen oder Foren, die einer thematischen Vorlage unterliegen(sog. Special Interest Communnities) – wie z.B. Games Communities. Die Bundesregierung hatte dem Bundesrat mitgeteilt, dass sie ihren Gesetzentwurf bereits so verstanden wissen wollte, hatte aber eine Klarstellung in Aussicht gestellt. Damit würde der Adressatenkreis des Gesetzes deutlich eingeengt werden.

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