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Ein Beitrag von Rechtsanwalt Felix Oelkers und Rechtsanwalt Marcus Sonnenschein, beide Partner bei BvM Berlin

 

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein, über die wir bereits berichteten (https://bvm-law.de/de/aktuelles/blog/beitrag/342), führte zu einer großen Verunsicherung in der Medienbranche.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 17.01.2017 (9 AZR 76/16) das LAG Schleswig-Holstein korrigiert, so dass ein bislang umstrittenes Modell höchstrichterlich geprüft ist:

Ein Kameramann war jahrelang teils als Freier, teils als Arbeitnehmer von einer Rundfunkanstalt beschäftigt worden. Die Rundfunkanstalt stellte in Aussicht, ihn umfangreicher zu beauftragen, wenn er eine „Ein-Personen-GmbH“ gründet, was er tat. Die GmbH hatte noch weitere Auftraggeber, war werbend im Markt tätig, beschäftigte zeitweise eigene Arbeitnehmer und verfügte über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Als die GmbH Jahre später nicht mehr beauftragt wurde, machte der Kameramann gerichtlich geltend, Scheinselbständiger, d.h. Arbeitnehmer der Rundfunkanstalt gewesen zu sein, auch weil läge eine Umgehung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vorläge.

Wer weisungsgebunden für einen anderen arbeitet, ist Arbeitnehmer. Freie Mitarbeiter sind weisungsfreie Unternehmer/n, die selbständig sind. Im Einzelfall ist die Abgrenzung zwischen Selbständigen und Scheinselbständigen oft sehr schwierig – gerade im kreativen Bereich. Denn die Beschäftigung eines Journalisten, Regisseurs, Kameramanns, Bühnenbildners oder Beraters kann sowohl als Arbeits- oder freier Dienstvertrag erfolgen.

Gleichzeitig hat die Beschäftigung eines Scheinselbständigen gravierende rechtliche und finanzielle Folgen: Der Auftraggeber wird als Arbeitgeber behandelt, muss Lohnsteuer und die (Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmer-)Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen (Verjährungsfrist: 4 Jahre!) und macht sich ggf. sogar strafbar, weil er die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat (§ 266a Abs. 2 StGB).

Im vorliegenden Fall hatte das Arbeitsgericht die Klage des Kameramannes abgewiesen. Das LAG entschied hingegen in seinem vielbeachteten Urteil, dass eine unzulässige Umgehung der Schutzvorschriften des AÜG vorlag. Daher sei ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kameramann und der Rundfunkanstalt zustande gekommen (Scheinsebständigkeit).

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Das BAG hob diese Entscheidung auf und wies die Klage ab. Der Kameramann durfte sich selbst durch seine GmbH verleihen, auch wenn er als Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer war. Diese Konstruktion war auch keine Umgehung, die „Ein-Personen-GmbH“ kein „Strohmann“, jedenfalls dann nicht, wenn sie Aufträge von mehreren Geschäftspartnern annimmt und – wie im vorliegenden Fall – eigene Arbeitnehmer beschäftigt und diese mit einer entsprechenden Erlaubnis an Auftraggeber verleiht.

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Für die Praxis bedeutet das: Wer als Gesellschafter-Geschäftsführer einer „Ein-Personen-GmbH“ unterschiedliche Auftraggeber hat, werbend im Markt tätig ist und eigene Arbeitnehmer beschäftigt, darf selbst und mit seinen Arbeitnehmern für Auftraggeber im Rahmen eines freien Dienstvertrags tätig werden. Dazu sollte die GmbH eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung haben, weil sie sonst Gefahr läuft, dass sie die eigenen Arbeitnehmer gesetzwidrig an den Auftraggeber verleiht. Beschäftigt die GmbH hingegen keine eigenen Arbeitnehmer, ist sie nur für einen Auftraggeber tätig und/oder tritt nicht werbend im Markt auf, ist auch nach der BAG-Entscheidung offen, ob die Gerichte dies zukünftig als „Strohmann“-Konstruktion zur Umgehung der Scheinselbständigkeit und der Schutzvorschiften des AÜG ansehen.

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