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Ein Beitrag von Prof. Dr. Alexander Freys, Partner BVM Berlin

 

Das Gesetz ermöglicht Verbrauchern eine erleichterte Rechtsdurchsetzung in Bereichen, in denen sie ansonsten wegen Geringfügigkeit oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Klage abgesehen hätten (sog. „rationales Desinteresse“).

Die Voraussetzungen für eine Sammelklage sind denkbar einfach: Erforderlich ist, dass in einer Klage gegen ein Unternehmen gleichartige (ungeprüfte) Ansprüche von 10 Verbrauchern geltend gemacht werden. Das allein genügt bereits zur Veröffentlichung der Klage in einem Klageregister. Wenn sodann binnen 2 Monaten insgesamt 50 Verbraucher ihre Ansprüche beim Klageregister (kostenfrei!) angemeldet haben, wird das Sammelklageverfahren durchgeführt.

Mit Sammelklagen können zentrale Voraussetzungen für Rechtsansprüche oder das Bestehen von Rechtverhältnissen festgestellt bzw. allgemeine Rechtsfragen geklärt werden. Das klassische Thema wären etwa Schadensersatzforderungen gegen VW wegen des Dieselskandals, aber auch unzulässige Gebühren für Kredite oder Online-Dienste, unrechtmäßige Preiserhöhungen von Energieanbietern oder annullierte Flüge. Ziel ist jeweils die Feststellung der vorerwähnten Fragen mit verbindlicher Wirkung für alle am Verfahren beteiligten Unternehmen und Verbraucher. Diese Gesamtwirkung  hat nicht nur ein Urteil, sondern auch ein etwa im Sammelklageverfahren für alle dort Beteiligten abgeschlossenen Vergleich. Eine Allgemeinwirkung für und gegen außenstehende Dritte ist allerdings nicht vorgesehen.

Um einer Klageindustrie vorzubeugen, können Sammelklagen nicht von Einzelpersonen oder sog. „Verbraucheranwälten“, sondern nur von anerkannten, mindestens seit 4 Jahren in Deutschland (oder im EU-Ausland!) tätigen Verbraucherschutzverbänden erhoben werden. Allerdings besteht auch unter diesen Verbänden ein natürliches Konkurrenzverhältnis, weshalb ein „Windhundrennen“ um die lukrativsten Sammelklagen ist nicht ganz abwegig ist. Jedenfalls geht die Bundesregierung bei vorsichtiger Schätzung von jährlich ca. 450 Sammelklagen mit ca. jeweils 75 Anmeldern aus, das wären also ca. 33.750 Anmeldungen im Klageregister. Selbst nach Ansicht der Bundesregierung wird aber nur die Hälfte aller Sammelklagen erfolgreich sein. Vor diesem Hintergrund ist die „Pranger-Wirkung“ für ein - im Endergebnis möglicherweise gar zu Unrecht im öffentlichen Klageregister aufgeführtes Unternehmen ein noch nicht ausdiskutiertes Thema. Theoretisch betroffenen Unternehmen raten wir jedenfalls bereits im Vorfeld zu geeigneten rechtlichen Abwehrmaßnahmen gegen derartige Inanspruchnahmen.

Das Gesetz muss noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat  erhalten. Sie gilt aber als gesichert, weil das Gesetzgebungsvorhaben im Koalitionsvertrag ausdrücklich verabredet war und das Gesetz - wie im Entwurf vorgesehen - am 01. November in Kraft treten soll. Das geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass am 31.12.2018 die Ansprüche von Diesel-Fahrern gegen VW verjähren und eine Verjährung durch das Sammelklageverfahren gehemmt werden kann.

 

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