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Presserecht
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Die Presse hat bei der Berichterstattung viele Freiheiten, andererseits aber auch bestimmte Grundsätze zu beachten, etwa solche wie sie im Presskodex niedergelegt sind . Danach sind „zur Veröffentlichung bestimmte Informationen ... mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben“. In der Praxis bedeutet die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten oft umfangreiche   Recherchen, Gegenrecherchen, Konfrontationen und Quellenprüfung mit anschließender Dokumentation zu Beweiszwecken. Zum Schwur kommt es, wenn die Presse in einem Rechtsstreit entweder die Wahrheit ihrer Aussagen oder zumindest die Einhaltung der Sorgfaltsstandards beweisen muss. 
Bei der journalistischen Recherche und Dokumentation stellt sich häufig die Frage, ob elektronische Daten als Beweismittel in Betracht kommen. Vielfach finden Recherchen im Internet statt und die Ergebnisse werde üblicherweise durch Screenshots oder das Abspeichern von HTML-Dateien, die jedem Internetauftritt zugrunde liegen, festgehalten. 

In einem Rechtsstreit kam es entscheidend darauf an, ob Chatverläufe, die der Presse von einem Hacker zugespielt und anschließend veröffentlich wurden, authentisch waren, also tatsächlich vom angegebenen Verfasser stammten. Das OLG Frankfurt a.M. befand, dass der Beweiswert eines nicht signierten privaten elektronischen Dokuments in Form der HTML-Datei frei zu würdigen sei. Die Datei sei nicht fälschungssicher, sondern könne nachträglich beliebig von einem Editor geändert werden. Die Presse hätte keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass an der Datei keine Manipulationen vorgenommen worden seien. Richtig sei zwar, dass die Presse ihre Informanten nicht nennen müsse. Sie müsse dann aber „so viele Einzelfallumstände offenlegen, dass ein Rückschluss auf die Verlässlichkeit des Informanten und der Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Information gezogen werden kann“. Daran fehle es, weil die Datei in strafbarer Weise von einem Hacker erlangt worden sei, sodass von einer gewissen kriminelle Energie auszugehen sei. Außerdem habe die Presse nicht  dargelegt, wie sie sich Gewissheit über die Identität ihrer Informanten verschafft habe.

Aus dem Urteil folgt zweierlei: 

Zum einen stellt das Gericht grundsätzlich den Beweiswert bzw. die Authentizität nicht signierter elektronischer Dateien in Frage. Das Gericht will den Beweiswert vielmehr „frei würdigen“, sieht darin also keine Urkunden oder Augenscheinsobjekte. Das betrifft nicht nur HTML-Dateien, sondern sämtliche unsignierten Dateien wie Chatverläufe, Emailprotokolle etc. 

Andererseits muss die Presse bei einer solchen „dünnen“ Beweislage  erhöhte Anforderungen an die Zuverlässigkeit ihrer Quelle stellen. Wird die Quelle im Rechtsstreit nicht näher genannt, hilft auch der Quellenschutz der Presse nicht.

Für die journalistische Recherche bedeutet dies, dass unverschlüsselte elektronische Dateien im Zweifel nur einen sehr geringen Beweiswert haben. Das betrifft nicht nur HTML-Dateien, sondern sämtliche unsignierten Dateien wie Chatverläufe, Emailprotokolle etc. Solche elektronischen  Informationen sollten also zusätzlich abgesichert werden. Das kann durch Zeugen oder andere Beweismittel geschehen, und manchmal durch einfachste Mittel bewirkt werden: So ist die Versendung einer Email kein Beweis für ihren Zugang beim Empfänger. Kann man aber eine Eingangs- und Lesebestätigung vorlegen, dann wird dies von den Gerichten als Beweis  akzeptiert (OLG Hamm, GRUR-RS 2023, 44487).


Quelle: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/presse/hohe-anforderungen-an-die-pruefung-der-zuverlaessigkeit-einer-quelle
 

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