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Ein Beitrag von Marcus Sonnenschein, Partner BvM Berlin

 

Mit dem Jahreswechsel 2015/2016 haben verschiedene Gerichte in Deutschland Urteile zu wichtigen filmarbeitsrechtlichen Themen erlassen, zu denen mittlerweile die Begründungen vorliegen.


1. 1- Mann-GmbH als unzulässige Arbeitnehmerüberlassung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat sich in einem Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 Sa 439b/14 – nicht nur mit dem sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Status eines Kameramanns auseinander gesetzt. Im Vordergrund stand vielmehr die Frage, ob ein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vorlag. Der klagende Kameramann ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer 1-Mann-GmbH, über die er seine Leistungen erbrachte und abrechnete. So auch gegenüber der beklagten Rundfunkanstalt. Die GmbH war im Besitz einer ordnungsgemäßen AÜG-Genehmigung. Diese in der Filmbranche vielfach anzutreffende Konstellation bei Filmschaffenden und Schauspielern (auch „loanout-agreement“) stellt jedoch nach Ansicht des LAG Schleswig-Holstein eine unzulässige Umgehung dar, weil der Geschäftsführer einer GmbH nicht gleichzeitig auch der zu verleihende Arbeitnehmer sein könne. Daher ist nach Ansicht des LAG Schleswig-Holstein  die Überlassung unwirksam, was in der Rechtsfolge des AÜG dazu führt, dass dieser „rechtswidrig“ überlassene Kameramann ein unbefristet angestellter Arbeitnehmer des Entleihers, d.h. der Rundfunkanstalt ist. Diese Rechtsfolge einer Umgehung der Vorgaben des AüG wäre nach Ansicht des LAG nicht gegeben, wäre der Kameramann als „Selbständiger“ und nicht als gar kein Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Sinne tätig geworden. In der vorliegenden Fallkonstellation stellte das LAG dazu aber fest, dass der vorwiegend mit Nachrichten- und kurzen Dokumentarbeiträgen beauftragte Kameramann kein programmgestaltender Mitarbeiter gewesen sei und im Ergebnis daher bei als Arbeitnehmer anzusehen ist, der in unzulässiger Weise im Sinne des AüG überlassen wurde.

Das Ergebnis dieser Entscheidung hat erhebliche Auswirkung auf die in der Filmbranche verbreitete Praxis von loanout-agreements und AÜG-Konstellationen sowie auf die bisherige Handhabung der Rundfunkanstalten, sich bei der Vergabe von Schnitt- und Kameraleistungen eines Pools selbstständig tätiger Personen zu bedie-nen.. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ausdrücklich zugelassen (BAG - 9 AZR 76/16).

2. Langjährige, wiederholte Befristung eines Serien-Schauspielers wegen „Eigenart der Arbeitsleistung“ gerechtfertigt

Auch der vom LAG München bereits im Oktober des letzten Jahres entschiedene Fall (LAG München 29. Oktober 2015 – 4 Sa 527/15) ist wegen der besonderen Bedeutung inzwischen in der Revision beim BAG anhängig (BAG - 7 AZR 864/15).

Das LAG München hat im Fall eines Serienschauspielers, der über 18 Jahre mit auf-einanderfolgenden befristeten Verträgen beschäftigt war, entschieden. Hier machte der klagende Schauspieler geltend, dass kein die Befristung rechtfertigender Sachgrund vorläge. Dieser Ansicht folgte das LAG München nicht. So sei die befristete Beschäftigung eines Serienschauspielers aufgrund der „Eigenart der Arbeitsleistung“ gerechtfertigt. Im Übrigen setzte sich das Gericht in bemerkenswerter Weise auch mit dem programmgestaltenden Status eines Schauspielers auseinander. Die Revision wurde ebenfalls zugelassen.

Mitte Februar fand die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz in einem ähnlichen Fall zur Befristung eines Lizenzfußballspielers ein großes Medienecho. Der ehemalige Profispieler Heinz Müller machte gegenüber seinem Fußballclub geltend, dass die Befristung seines Arbeitsvertrages nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt sei. Es läge vielmehr eine aufgrund der Dauer der Befristung unzulässige Zeitbefristung im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vor. Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, dass die Befristung aufgrund der „Eigenart der Arbeitsleistung“ gerechtfertigt sei. Wegen der besonderen Bedeutung hat das Gericht die Revision zum BAG zugelassen.

Nun wird mit Spannung in beiden Fällen eine Entscheidung des BAG erwartet. Diese hat grundsätzliche Bedeutung für die Befristung von Arbeitsverträgen mit programm-gestaltenden Mitarbeitern, Schauspielern und Filmschaffenden in der Rundfunk-, Fernseh- und Filmbranche, mit journalistischen Mitarbeitern von Presseunternehmen, sowie für Arbeitsverträge mit befristet beschäftigten Profisportlern.

3. Überstunden und „Pauschalverträge“

Große Aufmerksamkeit in der Filmbranche durch einen Artikel in Cinearte erzeugte auch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Januar 2015 (ArbG Berlin - 53 Ca 12217/14 nicht veröffentlicht) im Hinblick auf die Abgeltung von Überstunden. In der Fachpresse wurde von einigen Autoren bereits das „Ende des Pauschalvertrages“ ausgerufen. Der Filmbranche seien die „Leviten gelesen“ worden. Bei genauerer Betrachtung muss jedoch differenziert werden:

So ist die pauschale Abgeltung von Überstunden sowie Abweichung von tariflichen Zuschlägen und deren pauschale Abgeltung ständiges und seit langem bekanntes tarifpolitisches Thema.

Vor diesem Hintergrund ist jedoch klarzustellen, dass in dem vom Arbeitsgericht Berlin zum entscheidenden Fall gerade keine Tarifanwendung gegeben war. Es war weder eine originäre Tarifgebundenheit gegeben, noch lag eine einzelvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende  vor.

Vielmehr hat das Arbeitsgericht Berlin die pauschale Abgeltung jeglicher zu leistender Überstunden nach allgemeinen, seit langem bekannten Grundsätzen der BAG-Rechtsprechung entschieden.

Seitdem Verbraucherschutzvorschriften auch im Arbeitsrecht anzuwenden sind hat sich das BAG stetig damit auseinandergesetzt, ob etwaig geleistete Überstunden durch Zahlung eines pauschalen Gehaltes (mit-) abgegolten werden können. Zuletzt hat das BAG grundlegend mit der Entscheidung vom 17. August 2011 – 5 AZR 406/10  – entschieden, dass dies allenfalls in einem ganz eng umrissenen Umfang möglich ist. Das Transparenzgebot des gebietet, dass aus einer vertraglichen Regelung zur Abgeltung von Überstunden klar und verständlich hervorgehen muss, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer für das vertraglich vereinbarte Gehalt erbringen muss. Er muss bei Vertragsschluss erkennen können, was „auf ihn zukommt“. Ansonsten ist die vertragliche Klausel für ihn „überraschend“. Nach diesen Maßstäben hat das Arbeitsgericht Berlin die in dem Fall zugrunde liegende arbeitsvertragliche Klausel, nach der sämtlich geleistete Überstunden mit dem Gehalt pauschal abgegolten seien für unwirksam erklärt.

Die eigentliche, in vielen Verträgen mit Filmschaffenden spannende Frage, ob und wie für einen Arbeitnehmer erkennbar ist, in welchem Umfang Mehrarbeit durch das pauschale Gehalt oder einer übertariflich gezahlten pauschalen Gagenanteil abgegolten ist, stand ausdrücklich nicht zu Entscheidung.

Auch im Weiteren ist die arbeitsgerichtliche Entscheidung, entgegen der derzeitigen Branchendiskussion, keine Sensation. Ist die Bezahlung für geleistete Überstunden zwischen den Vertragsparteien strittig, hat das BAG zuletzt mit Urteil vom 23. September 2015 – 5 AZR 767/13  – wiederholt klargestellt: Immer dann, wenn der Arbeitgeber geleistete Überstunden in einem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos zugunsten des Arbeitnehmers ausgewiesen hat oder er in sonstiger Weise die von einem Arbeitnehmer behaupteten Überstunden unstreitig gestellt hat, ist es ausreichend, dass in einem Arbeitsgerichtsprozess der Arbeitnehmer lediglich vortragen muss, dass und wann er die Überstunden geleistet hat.

Beruft sich hingegen der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruches auf Abgeltung eines Zeitguthabens nicht auf ein vom Arbeitgeber geführtes Arbeitskonto, sondern auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen, hat er im Zweifel die volle Darlegungs- und Beweislast für die Überstunden. Er muss alle Voraussetzungen, d. h. die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung, die Anordnung, die Billigung, die Duldung oder Erforderlichkeit der behaupteten Überstunden darlegen und beweisen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

Da im vorliegenden Fall der Arbeitgeber die von der Klägerin umfangreich vorgetragenen und mit Vorlage von Arbeitszeiterfassungen belegte Mehrarbeit nicht ausreichend bestritten hatte, wurde dem geltend gemachten Vergütungsanspruch stattgegeben.

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