

Title
Wer bin ich, und wenn ja, auf welchem Foto?
Die Allgegenwart von Kameras und Smartphones führt in erwartbarer Regelmäßigkeit zu Konflikten mit dem Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen. Dieses Recht steht in §§ 22 ff. KUG und besagt, dass man zwar kaum etwas gegen des "Fotografiert Werden" unternehmen kann, sehr wohl aber etwas gegen die anschließende Verwendung von Fotos, auf denen man zu sehen ist: Wenn der Abgebildete dem nicht zugestimmt hat, kann er die Verbreitung solcher Fotos verbieten. Eine Ausnahme gilt für reine Landschaftsaufnahmen, bei den Personen nur zwangsläufiges Beiwerk sind (gemeint sind damit auch "Stadt"landschaften). Eine weitere Ausnahme gilt für Aufnahmen aus dem Bereich der Zeitgeschichte. In diesem Ausnamefällen können Fotos veröffentlicht werden, auf denen Personen erkennbar abgebildet sind, ohne dass diese etwa zustimmen müssten oder die Publikation verbieten könnten.
Ob ein Bild ein Bild aus der Zeitgeschichte ist, entscheidet das Gericht. Hier werden die Dinge gerade ein wenig neu geordnet, weil die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze (Unterscheidung zwischen "relativer" und "absoluter" Person der Zeitgeschichte) so nicht mehr angewendet werden dürfen.
Die Pressekammer des Berliner Landgericht hatte zwei Fälle zu beurteilen, bei denen es jeweils um Bilder von Demonstrationsteilnehmern ging, die sich so in der Presse nicht wiederfinden wollten. Der Erste war dadurch aufgefallen, dass er sich bei einer Anti-Palästina-Demonstration heftig um ein Selfie mit Greta Thunberg bemühte und sich anschließend auf einem Pressefoto neben anderen Demonstrationsteilnehmern wiederfand.
Der Zweite freute sich auf einer ähnlichen Demonstration dermaßen über Raketenangriffe auf Israel, dass ihm das einen Hitlergruß wert war, den wiederum ein Pressefotograf festhielt. Beide Protagonisten waren ungeachtet ihrer öffentlichen Aktionen keineswegs damit einverstanden, ihr Konterfei in der Zeitung wiederzufinden. Sie verklagten jeweils die Medien auf Unterlassung der Bilddarstellung. Das Landgericht Berlin II wies beide Klagen ab und nahm die beiden Fälle jeweils zum Anlass, die Abbildungsfreiheit bei "Bildern aus der Zeitgeschichte" schärfer zu konturieren.
Im Fall des Greta Thunberg-Fans war es so, dass der Abgebildete auf dem Pressefoto zwar nicht im Bildmittelpunkt stand, aber als "Randfigur" deutlich zu erkennen war. Da es bei Aufnahmen aus der Zeitgeschichte keine Abbildungsfreihit für Beiwerks-Personen gibt (vergleichbar den Landschaftsaufnahmen, s.o.), begründete das Landgericht sein Urteil damit, dass der Betroffene sich auf einer Demonstration bewegte, die schon wegen der Thunberg-Anwesenheit hohe Presseaufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Außerdem habe der Betroffene sich durch das der Presseaufnahme vorangegangenen Selfie mit Gerta Thunberg selbst inszeniert und auf diese Weise gewollt Aufmerksamkeit erregte. Er sei in der Presse lediglich so abgebildet worden, wie er selbst für ein Foto posiert hatte.
Im Fall des Hitler-Grüßenden erkannte das Landgericht Berlin strafrechtlich relevantes Verhalten. Wer in dieser Weise in aller Öffentlichkeit den Rechtsfrieden bricht, müsse grundsätzlich dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt werde. Die Bilder zeigen eben diese Geste.
Beide Urteile sind zu begrüßen. Die Frage, ob jemand zur Zeitgeschichte gehört und damit in den Pressemedien abgebildet werden darf, ist eine Abwägungsfrage und im Einzelfall durch Gericht zu klären. Beide Fälle eint, dass jeweils völlig unbekannte Personen jedenfalls für eine kurzen Moment der Zeitgeschichte angehörten, und daher abgebildet werden durften. Bei dem Einen lag es an seinem Drängen ins Rampenlicht, bei dem Anderen an einer in aller Öffentlichkeit ausgeführten Straftat. Das Gericht konturierte damit den Begriff der Person der Zeitgeschichte dahin, dass auch gänzlich unbekannte bzw. unbedeutende Personen aufgrund besonderer Umstände und Interessenslagen – zumindest ´zeitweise - der Zeitgeschichte angehören und in diesem Zusammenhang kein Recht am eigenen Bild beanspruchen können.
LG Berlin II v. 26.11.2024 "Hitlergruß auf Anti-Israel-Demonstration", ZUM-RD 2025, 88 - https://www.juris.de/static/infodienst/autoren/D_NJRE001594061.htm
LG Berlin II v. 29.11.2024 »Islamisten und Israelhasser«, ZUM-RD 2025, 86 - https://www.juris.de/static/infodienst/autoren/D_NJRE001593232.htm