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Entjoynt!
ProSieben und Sat.1 betreiben die Streaming-Plattform „Joyn“. Wer die Plattform nicht aus dem Internet kennt, lernt sie spätestens beim Kauf eines neuen TV-Geräts kennen. Denn auf den meisten internetfähigen TV-Empfängern ist „Joyn“ als App vorinstalliert und dient als „Programmführer“ über rund hundert TV-Kanäle, darunter die „eigenen“ Privatsender wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins aber auch öffentlich rechtliche Programme wie die Programme der ARD.
Dabei erstaunt zunächst einmal, dass Plattformen von Privatsendern überhaupt so ohne weiteres auch die konkurrierenden Programme von ARD und ZDF „verbreiten“ können. Denn normalerweise besitzen die Sender ja das Urheberrecht an ihrem Sendesignal und können eine Weiterverbreitung durch Dritte untersagen. Hier half bislang aber eine Besonderheit des Internets: Wenn nämlich ein Sender, z.B. die ARD, ihr Sendesignal im Internet online kostenlos jedermann anbietet, dann ist es keine Urheberechtsverletzung, wenn eine andere Internetseite oder Plattform einen Link zu diesem Angebot setzt. Denn dann erhält der Betrachter (User) ja das originale Streamingsignal des Senders (ARD) und die Plattform (Joyn) „sendet“ nicht selbst. Das gilt auch dann, wenn die Plattform nicht lediglich auf ein anderes Angebot verlinkt, sondern das (fremde) Streamingsignal in einem Rahmen auf der eigenen Seite einbettet und es damit (nur scheinbar!) abspielt (sog. „framing“, „embedding“). Auch in diesem Fall betrachtet der Endnutzer immer noch das Originalsignal z.B. der ARD, eben nur eingebettet in eine andere Plattform, etwa die von „Joyn“. Das Leistungsschutzrecht des Senders bleibt dabei unberührt.
„Joyn“ ging nun aber noch weiter und bot nicht nur Zugang zu Sendungen der ARD an, sondern fasste einzelne Sendungen aus der ARD-Mediathek mit eigenen Sendungen zu einem neuen Bündel zusammen und vermarktete dieses als Joyn- „Basisangebot“. Das rief die ARD auf den Plan. Vor dem Landgericht München wurde auf Unterlassung geklagt und der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.
Das Landgericht München gab der ARD recht. Aber nicht etwa aus dem Urheberrecht, sondern auf Grundlage des Medienstaatsvertrages (MStV). Dort ist eigentlich nur die Medienaufsicht über Internetplattformen geregelt und u.a. bestimmt, dass es Medienplattformen untersagt ist, Rundfunkprogramme oder Teile davon in ihre Angebotspakete aufzunehmen oder in anderer Weise zu vermarkten (§ 80 I Nr. 3 MStV) .
Ein Verstoß gegen den MStV hat normalerweise zur Folge, dass die zuständige Landesmedienanstalt aufsichtsbehördlich einschreitet, also, dass man es mit Behörden zu tun bekommt. Die Bedeutung des Urteils liegt nun darin, dass das Gericht den MStV nicht nur als Verwaltungsrecht, sondern auch als „drittschützende Norm“ ansieht. Das hat zur Folge, dass bei Verstößen nicht nur die Medienaufsicht einschreiten kann, sondern auch betroffene Dritte, wie etwa die ARD, unmittelbar auf Grundlage des MStV gegen die Medienplattform klagen können.
Nach dem Urteil kann es die ARD nunmehr Joyn selbst und unmittelbar verbieten, Teile der ARD-Mediathek zu „entbündeln“ und zu neuen Angeboten zusammenzufassen. Internetplattformen müssen also künftig mit fremden Angeboten sehr viel vorsichtiger umgehen: Sie dürfen zwar auf sie verlinken oder sogar den Link zur ARD-Mediathek in einem Frame in das eigene Angebot einbauen, so dass es so aussieht, als würde das ARD-Programm z. B. auf der Joyn-Plattform laufen. Plattformen dürfen aber fremde Rundfunkprogramme nicht „vermarkten“ oder gar mit eigenem Content zu Angebotsbündeln zusammenfassen.
Im Verstoßfall droht jetzt nicht mehr nur Ungemach seitens der Medienaufsicht, sondern die kontinuierliche und ggf. sehr viel effektivere Kontrolle durch die Konkurrenz.